Brauerei Wunder im Wald

Die Braubranche ächzt. Erst die Pandemie, nun hohe Energie- und Rohstoffpreise. Viele Brauereien erhöhen die Preise, andere kämpfen ums Überleben, einige haben diesen Kampf bereits verloren. Im Bregenzerwald halten die Geschäftsführer der Brauerei Egg dagegen »ein Plädoyer für Optimismus«.

Foto: — Lagerzeiten sind wichtig für die Qualität des Bieres, deshalb bekommt die Brauerei Egg im Frühjahr 2023 zwei neue Tanks, um trotz höherer Produktion das Bier ausreichend lange lagern zu können. Darum kümmert sich Kellermeister Martin. —

Lukas Dorner entschuldigt sich. Die Braustube ist unaufgeräumt. Überall liegen weiße und rote T-Shirts mit Brauerei-Logo. Die seien gerade geliefert worden, sagt er. Es gebe da jetzt eine größere Nachfrage aus der Kundschaft. Ein Shirt der Brauerei Egg zu tragen, das sei früher nur Sache der Mitarbeiter gewesen. Inzwischen sind die Kleidungsstücke auch bei anderen Wälderinnen und Wäldern beliebt. Das liege auch daran, dass »die Region gefühlt zum ersten Mal seit 30 Jahren stolz auf die Brauerei ist«, erklärt Dorner. Er ist Geschäftsführer dieser Brauerei im Örtchen Egg. Wälder nennt man hier die Bewohner des Bregenzerwalds, in dessen Mitte die Brauerei liegt. Dass man von der Brauerei Egg nicht nur im positiven Sinne spricht, sondern immer mehr Menschen deren Egger Bier trinken, liegt nicht nur daran, dass das Kellerbier gerade den European Beer Star bekommen hat. Es hat auch damit zu tun, dass Lukas Dorner und Braumeister Dominik Lissek das Unternehmen neu organisiert und auch die Strategie geändert haben. »Man war zufrieden mit dem, was man hatte«, sagt Lissek. »Da war nicht die Notwendigkeit, in die Marke und das Image zu investieren. Das war eine Firma, die etwas Gewinn gemacht hat. Und man wollte möglichst wenig Veränderung, solange das Spezialbier geschmeckt hat«, erinnert sich Dorner an die Zeit vor seinem Einstieg. Er kommt selbst aus dem 3300-Einwohner-Dorf. Die Brauerei, 1894 von Gastwirten gegründet, sei immer da, aber nichts Besonderes gewesen für die Menschen.

Neue Ansprüche

Vor drei Jahren ging dann einer der Gesellschafter, der auch nebenberuflich Geschäftsführer war, in Pension. Erstmals in der Geschichte der Brauerei, die die letzte noch bestehende im Bregenzerwald ist, wurde ein Geschäftsführer eingestellt, der nicht aus einer der Gesellschafterfamilien kommt. »Der neue Geschäftsführer hatte andere Ansprüche«, sagt Dorner. Nein, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen, gefällt ihm dann doch nicht. »Ich hatte andere Ansprüche«, schiebt er nach. In Vorarlberg sei die Egger Brauerei bisher eher belächelt worden. Da sind die Dornbirner Mohrenbrauerei und die inzwischen zur Brau Union gehöhrende Fohrenburger in Bludenz die Hauptakteure. Hinzu kommt die Frastanzer Brauerei, die sich unter anderem durch ihre Bio-Biere einen Namen gemacht und damit eine Nische besetzt hat. Und dann ist da eben noch diese kleine Brauerei im Wald, die ein wenig Bier verkauft. Rund 15.000 Hektoliter waren es im Jahr, als Dorner seinen Job antrat. Inzwischen liege man bei 17.000 bis 18.000 Hektolitern. Das Ziel sind 30.000 bis 35.000 Hektoliter, also die Verdoppelung des Volumens, sagt Braumeister Dominik Lissek. Er kam vor zwei Jahren als Nachfolger von Hinrich Hommel aus dem Allgäu in den Bregenzerwald – »mit der Aussicht, dass hier etwas entstehen kann«, also mit der Lust, nicht einfach eine alte Tradition fortzuführen, sondern Neues zu wagen. Die Hauptmarke der Brauerei ist zwar nach wie vor das Wälder, ein für Vorarlberg typisches Spezialbier. Aber dieses Bier wird nun auch unfiltriert als Kellerbier vermarktet. In Egg wird Helles und Dunkles gebraut, Bockbier und Pils. Fix im Sortiment ist auch ein IPA. Und jeden Monat kann man direkt in der Brauerei ein Bier in limitierter Auflage kaufen. Aktuell ist das ein Rauchbier, eine Spezialität aus Lisseks fränkischer Geburtsstadt Bamberg. Im vergangenen Monat war es ein Iced Coffee Porter. Die Entscheidung, welchen Bierstil man mal ausprobiert, falle »schnell und unkompliziert«, erklärt Dorner. Einer der Mitarbeiter braut auch zu Hause und bringe immer mal wieder eine Idee. Es komme aber auch vor, dass jemand sagt: »Nächsten Monat habe ich eine Brauereiführung und da ist jemand dabei, von dem ich weiß, dass er Weizenbier mag.« – »Dann brauen wir ein Weizenbier«, sagt Dorner. mand dabei, von dem ich weiß, dass er Weizenbier mag.« – »Dann brauen wir ein Weizenbier«, sagt Dorner. 25 Menschen arbeiten in der Brauerei, zwei Frauen, 23 Männer. Eine mutige Geschäftsführung, ein engagierter Braumeister und kreative Mitarbeiter sind aber nicht alles. Es sei gelungen, die Gesellschafter zu überzeugen, dass investiert werden muss, wenn die Brauerei am Markt bestehen will. Also weniger Gewinnausschüttung. Stattdessen hat man endlich eine Wasserenthärtungsanlage eingebaut. »So etwas, das für viele Brauereien auf der ganzen Welt selbstverständlich ist, gab es hier nicht«, erzählt Lissek. Er hat auch sonst einiges geändert: Der Endvergärungsgrad ist jetzt höher, das Bier somit süffiger. Die Hopfung wurde ans veränderte Wasser angepasst. Und im Frühjahr kommen zwei zusätzliche Tanks. »Das ermöglicht Wachstum mit ruhigem Gewissen«, sagt Lissek. Denn er will die Lagerzeiten fürs Bier aus Qualitätsgründen nicht verringern, braucht aber deutlich mehr Bier, wenn der Plan der Brauerei aufgehen soll.

— Ein sympathischer Kontakt zu den KundInnen ist der Brauerei wichtig. Dafür sorgen direkt an der Verkaufsrampe Hannes und Walter als eingespieltes Team. — © Brauerei Egg/MATAK

Neue Optik

»Das Potenzial ist enorm für uns«, glaubt Lukas Dorner. »Die Brauerei war lange im Dornröschenschlaf. Da hat auch das Image gelitten.« Deshalb hat der neue Chef als Erstes auch die Optik geändert: neue Etiketten, neue Internetseite, neues Firmenlogo, neuer Social-Media-Auftritt. »Wenn du Veränderung willst, muss die auch wahrgenommen werden«, unterstützt der Braumeister den Kurs des Geschäftsführers. Egger sei nun »mehr wahrnehmbar für den Kunden«, so Dorner. Das neue, durch die europäische Auszeichnung fürs Kellerbier verstärkte gute Image will er nutzen, um nun »erst mal um den Kirchturm aufzuräumen «. Egger Bier soll wieder »die klare Nummer eins im Bregenzerwald sein«. Diesen Markt wolle man »sauber halten«. Zudem gelinge es gerade, in ganz Vorarlberg im Handel präsent zu sein. Die Wachstumschancen in der Gastronomie seien begrenzt, meint Dorner. Aber im Handel, da könne der Kunde selbst entscheiden, was er trinken möchte. Diesen Wettbewerb will die Brauerei durch eine hohe Qualität immer öfter für sich entscheiden. Auf einen Preiskampf werde man sich dabei aber nicht einlassen. Als kleines Unternehmen habe man natürlich auch Probleme, wenn man wächst: Leergutmangel, Probleme mit der Logistik. Das kriege man in den Griff, sagt Dorner. Zwischen den T-Shirts liegt in der Braustube auch die neue Brauerei- Kundenzeitung. Dort gibt es nicht nur einen Hinweis auf das Egger Biergulasch in der Dose, sondern auch ein »Plädoyer für Optimismus im Bregenzerwald«. Es sei ja nicht so, dass man in Egg »die Welt bisher nur in lalalustig« gekannt hat, schreiben Lukas Dorner und sein Co-Geschäftsführer Hubert Berkmann dort. Aber momentan werde die »Wälder Gelassenheit ordentlich auf die Probe gestellt«. »Krieg. Inflation. Pandemie. Verdammt. Wir haben einiges zu schlucken gerade«, beschreiben die beiden die Situation vieler Brauer. Klar, im Glas, das, symbolisch gesehen, auf der Minusseite steht, sei einiges drin: explodierende Gaspreise mit nach oben ziehenden Strompreisen und der teurer werdende Hopfen. Aber im Gegenzug könne man auf der Plusseite ein Fass aufmachen. Denn was sei die Minusseite schon gegen das Glück, mit »richtig guten Menschen ein richtig gutes Bier« machen zu können. Und das auch noch im Bregenzerwald, wo es » iertrinker mit Charakter« gebe, die der Brauerei ihr neues Engagement danken. Die Unaufgeregtheit sei eine starke Charaktereigenschaft der Wälder. Aber, erklärt die Brauerei auch ihr eigenes neues Selbstverständnis: »Unaufgeregt zu sein, heißt ja letztlich nichts anderes, als sein Ding zu machen und es dann auch mal gut sein zu lassen. Vorausgesetzt, es ist gut.«

— Sie setzen die neue Richtung um: Geschäftsführer Lukas Dorner, links, und Braumeister Dominik Lissek im Sudhaus. — © Martin Rolshausen