Brauen in den Tropen

Brauer auf der Halbinsel Yucatán.

Wie das Klima Brauereien auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán beeinflusst.

 Bier hat es gerne kühl und dunkel. Da scheinen feuchtheiße Klimazonen zunächst kein günstiger Ort für eine Brauerei zu sein. Und doch gibt es sie, die Brauereien in den Tropen. Warum nehmen diese die erschwerten Bedingungen in Kauf? Gibt es vielleicht auch Vorteile, die der tropische Standort mit sich bringt? Und wie wirkt sich das Klima auf den lokalen Biermarkt aus? Wir haben uns auf der Halbinsel Yucatán, im Südosten Mexikos, bei dortigen Brauereien umgehört.

Wir alle wissen: Bier ist ein empfindliches Produkt, das es gerne kühl und dunkel hat. Ist es hingegen hell und heiß, „kippt“ Bier schnell und wird ungenießbar. Deswegen, und wegen der erhöhten Brandgefahr in den Mälzereien, durfte früher nur in den kalten Monaten gebraut werden. In den warmen Monaten zwischen Georgi, dem Ehrentag des heiligen Georgs am 23. April, und Michaeli, dem Feiertag zu Ehren des heiligen Michaels am 29. September, blieben die Braukessel leer. Österreich feiert aus diesem Grund auch am 30. September, dem traditionellen Neujahrstag des Braujahres, den „Tag des österreichischen Bieres“.

Erst im 19. Jahrhundert wurde dieses Verbot gekippt. Mit der Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde Ende desselben Jahrhunderts wurde das Brauen dann unabhängig von den klimatischen Bedingungen und damit weltweit möglich. Es dauerte nicht lange, bis auch in den Tropen die ersten Brauereien entstanden. Doch trotz sich ständig entwickelnder Technik ist es in tropischen Gefilden bis heute schwerer, dem anspruchsvollen Produkt Bier gerecht zu werden.

Die Halbinsel Yucatán trennt den Golf von Mexiko vom Karibischen Meer. Das Klima ist tropisch schwül. Politisch gesehen teilen sich Mexiko, Guatemala und Belize das Gebiet, wobei mit Abstand die meiste Fläche zum mexikanischen Staat gehört. Dieser unterteilt seinen Anteil Yucatáns in drei Bundesstaaten: Das gleichnamige Yucatán, Quintana Roo und Campeche. Während Campeche zu einem Großteil aus unzugänglichem Regenwald besteht, sind die anderen beiden Bundesstaaten infrastrukturell gut erschlossen und bilden eines der touristisch bedeutsamsten Gebiete Mexikos. Hier befinden sich unter anderem die Millionenstadt Mérida, Hauptstadt des Bundesstaates Yucatán und bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, sowie die Riviera Maya an der Karibikküste im Bundesstaat Quintana Roo. Allein deren Dreh- und Angelpunkt Cancún empfing im Jahr 2019 etwa 6,15 Millionen ausländische BesucherInnen. Auch die meisten lokalen Brauereien haben sich in diesen beiden bedeutsamen Gebieten niedergelassen.

Klimatische Herausforderung

Isla Brewing Company
© Thomas Bassen

Die erste yukatekische Brauerei war die Cervecería Yucateca. Sie wurde im Jahre 1900 in Mérida gegründet. Das erste und noch heute erhältliche Bier der Brauerei war das León Negra, ein untergäriges Lagerbier nach Wiener Brauart. Die Brauerei ist heute Teil der zu AB InBev gehörenden Grupo Modelo und zählt nach einem Neubau 2017 zu den modernsten Brauereien Mexikos. Sie ist die einzige industrielle Großbrauerei auf der Yucatán-Halbinsel. Leider war die Brauerei während des Recherchezeitraumes zu diesem Artikel für eine Stellungnahme hinsichtlich der klimatischen Herausforderungen nicht erreichbar. Doch während das Wetter für die Cervecería Yucateca kein Thema zu sein scheint, über das es sich zu reden lohnt, ist das feuchtheiße Klima für die kleinen Handwerksbrauereien Yucatáns durchaus eine Herausforderung.

„Uns macht vor allem die salzige Luft zu schaffen“, erzählt Jeff McGahee, Mitbegründer und Braumeister der Isla Brewing Company auf der Cancún vorgelagerten Insel Isla Mujeres. „Ständig gehen Ersatzteile kaputt, vieles rostet durch. Das Material ist eben nur ‚stainless‘ und nicht ‚stainproof‘. Dann kommt die Insellage hinzu. Die meisten Zutaten und alle Ersatzteile müssen per Boot rübergebracht werden. Das funktioniert auch oft nicht alles so reibungslos.“ Auch Karina Muzquiz von der Brauerei Chela de Playa aus Playa del Carmen an der mexikanischen Karibikküste sieht in dem tropischen Klima eine Herausforderung: „Nicht nur, weil gute Kühlsysteme erforderlich sind, sondern auch, weil die Luftfeuchtigkeit in diesem Gebiet eine lange Lagerung des Malzes nicht zulässt und die Geräte aufgrund der hohen Oxidation häufig ausfallen.“

Für Carlos Jaime von der in Mérida ansässigen Brauerei Cerveza Ceiba stellten anfangs die Temperaturen während der Lagerung ein Problem dar, weil die Brauerei über keine gekühlten Tanks verfügte. „Eine weitere Herausforderung war die Anpassung unserer Biere an das Klima“, berichtet er. „Wir sind der Meinung, dass es keinen Sinn hat, ausgezeichnete Biere mit übertriebenem Alkoholgehalt und schwerem Körper herzustellen, wenn das lokale Klima es nicht zulässt, diese zu genießen.“
Gerardo Cardenas arbeitet bei der Brauerei Cerveza Patito, die sich ein Stück außerhalb von Mérida befindet. Er sieht die Hitze und die Luftfeuchtigkeit in der Region zwar ebenfalls als eine Herausforderung für die Bierherstellung, ist aber der Meinung, dass diese Nachteile von der heute verfügbaren Technologie fast vollkommen wettgemacht würden: „Im Allgemeinen ist die größte Herausforderung die Hitze, daher ist die Kontrolle unserer Kühlkette sehr wichtig. Wir sind ein kleines, handwerkliches Unternehmen, aber wir sind nicht technikfeindlich. Wir streben nach bestmöglicher Qualität und wir wissen, dass diese zum Teil dank der speziellen und immer besser werdenden Brauanlagen erreicht wird.“

Probleme mit Hitze und Wasserhärte

Ein Image der tropischen Halbinsel Yucatán.
© Thomas Bassen

Doch trotz aller Bemühungen gelingt es keiner der Brauereien, eine ununterbrochene Kühlung ihrer Biere vom Tank bis hin zu den VerbraucherInnen zu gewährleisten. Vor allem der kühlgeführte Transport ist in Mexiko schwierig und sehr teuer. Und gerade bei hopfenbetonten Bieren kann eine längere Verweildauer in einem 50 °C heißen Lieferwagen schnell dazu führen, dass die Biere nicht so bei den KundInnen ankommen, wie sie es verdient hätten und die Brauerei es sich wünscht. Dennoch erwarten Handel und VerbraucherInnen eine lange Haltbarkeit. Daher setzen alle Brauereien, die nicht ausschließlich für den lokalen Markt produzieren, auf die Pasteurisierung ihrer Biere, oft mit Ausnahme der Fassabfüllungen. Um ihre Biere möglichst schonend zu pasteurisieren, hat Cerveza Ceiba eine ungewöhnliche Methode ersonnen: „Die Pasteurisierung wird in einer von uns entworfenen und von einem örtlichen Schmied zusammengebauten Anlage durchgeführt. Diese besteht aus mehreren, mit Wasser unterschiedlicher Temperatur gefüllten, Fässern. Durch die Bewegung der Biere durch die Fässer eliminieren die ‚Schocks‘ von Kälte zu Wärme oder umgekehrt die im Bier verbliebenden Bakterien. Dadurch erhalten wir eine lange Haltbarkeit“, erklärt Carlos Jaime. Lediglich die Isla Brewing Company auf der Isla Mujeres pasteurisiert ihre Biere nicht. „Wir wollen unsere Biere nicht außerhalb der Insel vertreiben und können es uns deswegen leisten, unsere Biere komplett unbehandelt zu lassen“, so Jeff McGahee.

Ein weiteres Problem, wenngleich ein kleineres, ist die Härte des Wassers auf der Yucatán-Halbinsel. „Das Wasser ist hart wie ein Fels. Du kannst damit brauen, aber danach hast du einen Calcium-Film, der alles überzieht und das Reinigen zur puren Qual macht“, berichtet McGahee lachend. Er und seine Frau lassen sich das Wasser deshalb ihren Ansprüchen entsprechend aufbereiten.
Eine Brauerei auf der Yucatán-Halbinsel zu betreiben, bringt aber bei Weitem nicht nur Nachteile mit sich. Ganz im Gegenteil: Ist es doch das tropische Klima, das den Brauereien auch in die Karten spielt. Zum einen sorgt es für einen stetigen Bierdurst. Zum anderem locken Sonne und Natur das ganze Jahr hindurch Millionen TouristInnen auf die Halbinsel und bescheren den Brauereien damit einen nie endenden Strom neuer KundInnen. Gerade im Zuge der weltweiten Craft-Bier-Bewegung suchen viele BesucherInnen gezielt die Biere der kleineren, lokalen Brauereien und sind bereit, für ein authentisches Produkt aus der Region auch tiefer in die Tasche zu greifen.

Eine Alternative aus der Region

BrauerInnen der Chela de Playa Brauerei.
– Die Sudhäuser kleiner Brauereien, wie hier Chela de Playa, unterscheiden sich technisch wenig von denen in unseren Breiten.– © Chela de Playa

Der Tourismus mag definitiv ein wichtiger Treiber im Wandel der Bierkultur Yucatáns sein, doch auch die Menschen vor Ort wissen die alternativen Biere der lokalen Brauereien vermehrt zu schätzen. So sieht Gerardo Cardenas von Cerveza Patito vor allem in diesem Zusammenspiel den Aufschwung der handwerklichen Brauereien in der Region: „Die Craft-Bier-Bewegung hat die Tür für neue, anspruchsvollere Produkte geöffnet, und auch die lokale Bevölkerung hat begonnen, Craft-Biere als Alternative zu den gängigen großen Marken in Betracht zu ziehen.“ Dabei hilft den unabhängigen Brauereien der Umstand, dass die einzigen beiden früheren lokalen Biere, Montejo und Leon Negra von der Cervecería Yucateca, mittlerweile Marken des größten Bierkonzerns der Welt sind. Für Gerardo Cardenas spiegeln die handwerklichen Biere lokaler, unabhängiger Brauereien fundamentale Werte der yukatekischen Kultur wider, die „durch eine Tradition der Unabhängigkeit, der Arbeit, des Gefühls der Beständigkeit, des Stolzes und des Andersseins gekennzeichnet“ sei.

Carlos Jaime von Cerveza Ceiba misst auch der kulinarischen Tradition und Vielfalt der Region eine große Bedeutung bei: „Yucatán hat eine große und vielseitige Esskultur. Dadurch sind die Menschen hier offen für Experimente und wissen ein passendes Bier zu ihrem Essen zu schätzen. Unser IPA beispielsweise ist ein Bier mit fruchtigen Pfirsich- und Mango-Aromen. Der Alkoholgehalt ist mit 5,9 Vol.-% moderat und die charakteristische Bitterkeit ist genau bis zu der Stelle vorhanden, an der sie anfangen würde, aufdringlich zu werden. Das Bier eignet sich damit ideal für die Kombination mit vielen lokalen Speisen, zu denen Habanero-Chili-Salsa gereicht wird und trägt dabei gleichzeitig dem tropischen Klima Rechnung.“

Aber auch wenn Craft-Bier in der Region und ganz Mexiko seit Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewinnt, ist es insgesamt gesehen nicht mehr als eine winzige Kohlensäureperle in einem gut gefüllten Bierglas. Zu den 124,5 Millionen Hektoliter Gesamtausstoß im Jahr 2019 steuerten die 1021 Craft-Bier-Brauereien Mexikos gerade einmal 0,18 % bei, 2021 kratzten sie an der 1-%-Marke.
Den Markt kontrollieren die entweder zu AB InBev oder Heineken gehörenden Industriebrauereien mit ihren schlanken Lagerbieren. An diese sind auch die BiertrinkerInnen gewöhnt. Bier ist in Mexiko nach wie vor ein Alltagsprodukt, das vor allem leicht trinkbar und erfrischend sein soll. Das gilt umso mehr für die tropischen Küstenregionen. Daran können und wollen auch die yukatekischen Craft-Bier-Brauereien nichts ändern. Wenngleich die eine oder andere Brauerei schon mal ein gänzlich aus der Reihe tanzendes Bier wie ein Double IPA oder ein Imperial Stout braut, sind sie sich doch alle bewusst, dass das Klima vor allem leichte und gut trinkbare Biere verlangt.

So suchen sie auch nach Wegen, ihre Biere sowohl den Bedürfnissen der meisten BiertrinkerInnen anzupassen, ohne dabei allerdings auf die geschmackliche Vielfalt zu verzichten. Carlos Jaime von Cerveza Ceiba nennt dies die „Tropikalisierung“ der Biere: „Bei der Entwicklung eines Bieres geht es uns nicht nur darum, ein großartiges Bier zu kreieren, sondern auch ein Bier, das die Menschen mit lokalen Gerichten und Aromen kombinieren können und das in heißen Klimazonen wie Yucatán genossen werden kann. Drei unserer Biere, unser Pilsner, unser Wiener Lager und unser Light-Bier, sind deshalb Lagerbiere. Die Ales, die stärker sind, haben Besonderheiten, die sie ideal für das tropische Klima machen. Bei unserem IPA sind es die angepasste Bitterkeit und der moderate Alkoholgehalt. Bei unserem Stout haben wir den cremigen durch einen leichten bis mittleren Körper ersetzt.“ Auch für Gerardo Cardenas von Cerveza Patito ist diese Mischung der Schlüssel zum Erfolg: „Unsere KundInnen wollen andersartige Biere, die sehr leicht zu trinken sind und dabei trotzdem gut gemacht. Wir brauen deshalb Biere, die gut zu unserem Klima und unseren lokalen Gerichten passen.“

Regionale Biere in der Gastronomie

Das Cerveza Patito mit lokalen Gerichten.
© Cerveza Patito

Mag der Einfluss der kreativen, unabhängigen Brauereien auf den Biermarkt gemessen in Zahlen bislang auch noch so klein sein, die Bierkultur des Landes haben diese gewaltig vorangebracht. Das gilt auch für die Bierkultur Yucatáns. Craft-Bier-Brauereien sind ein fester Bestandteil des regionalen Biermarktes und haben der Halbinsel eine nie dagewesene Biervielfalt gebracht. Vielerorts sind Bierbars und -cafés entstanden und auch in der regionalen Gastronomie finden die lokalen Biere aus unabhängiger Produktion guten Anklang.

Den Schwierigkeiten, die sich den Brauereien ob des tropischen Klimas stellen, stehen unterm Strich mehr Vorteile gegenüber, die vor allem in dem starken Tourismus der Region sowie in der kulturell-kulinarischen Tradition Yucatáns begründet sind. Diese Faktoren prägen zusammen mit dem ganzjährig feucht-heißen Klima auch den regionalen Biermarkt. Andersartig und vielfältig, aber dabei möglichst erfrischend, fruchtig und gut trinkbar – so werden die Biere seitens der KundInnen gewünscht und von den Brauereien entsprechend geliefert. Aber wenngleich die Biere den regionalen Bedingungen angepasst sind, lässt sich der „Spirit“ Yucatáns auch national vermarkten, zumal die großen Biermarkten schon immer das Motto „Leicht und erfrischend“ in ganz Mexiko angepriesen haben. Die meisten yukatekischen Handwerksbrauereien produzieren allerdings ausschließlich für den lokalen Markt. Und auf diesem ist trotz des tropischen Klimas erfrischend viel Bewegung.

Portraitfoto Thomas Bassen
© Carolin Dörich

Autorenportrait

Thomas Bassen ist freier Journalist und Texter. Thomas Texte drehen sich stets um die Themen „Entdecken“ und „Genießen“. Besonders gerne schreibt er über gutes Bier, guten Rum und interessante Orte, am liebsten in Kombination. Weitere Kostproben und Kontakt unter mojitopapers.de und thomasbassen.de.