Na zdraví – Bierkultur auf Tschechisch

Der bekannte amerikanische Bierschreiberling Evan Rail hat einmal erwähnt, dass Prag die beste Stadt für Biertrinker in Europa sei. Wir möchten dies für ganz Tschechien unterschreiben, waren wir doch in den letzten Wochen auf den Spuren der tschechischen Bierkultur.

Schon auf der Bahnfahrt nach Prag bemerkt man den Stellenwert der Bierkultur. Im Speisewagen gibt es tschechisches Bier vom Fass. Das hat schon was – wenn es nicht noch so früh wäre. Mit der ÖBB ist man im 2 Stundentakt ohne Umsteigen bereits in 4 Stunden im Zentrum der Hauptstadt. Kurz vor Prag gönnen wir uns dann aber doch ein frisch gezapftes Budweiser Budvar. Bier ist in Tschechien dem Nationalstolz näher als Wein. Kein Volk in Europa trinkt so viel vom Gerstensaft wie unsere nordöstlichen Nachbarn. An die 130 Liter pro Jahr und Kopf. Auch Staatsgästen wird Bier gereicht. Vaclav Havel, der selber mal in einer Brauerei gearbeitet hat, war ein großer Freund des Bieres. Als US Präsident Bill Clinton mit seiner Aussenministerin Madeleine Albright nach Prag kamen, führte sie der tschechische Präsident in ein Bierwirtshaus. Im „Goldenen Tiger“ tranken sie mit dem bedeutenden tschechischen Autor Bohumil Hrabal ein paar Krüge aus Pilsen.

Und der Export funktioniert wie am Schnürchen. Die großen Marken Pilsner Urquell, Velkopopovický Kozel, Budvar, Starobrno und Krusovice werden in zahlreiche große Märkte verfrachtet. Das ist nicht nur durch neue Eigentümer wie Heineken oder Asahi möglich, sondern historisch gewachsen.

Während aus der Wiener Region Schwechater und Liesinger Bier in die Kronländer und in den Norden bis nach England geliefert wurde, zielten die böhmischen und mährischen Brauer schon früh auf die Hauptstadt des Kaiserreiches. Die Brünner Actienbrauerei (heute Starobrno) unterhielt in Wien zwei Lagerhäuser und bestückte sie täglich mit 5 Wagons voller Brünner Bier. Seit 1852 gab es in Wien Pilsner Urquell vom Fass. Griechenbeislwirt Leopold Schmied entschied sich damals für dieses neue Bier, bis zum heutigen Tag fliesst am Wiener Fleischmarkt in diesem Lokal das selbe Bier aus Pilsen.

Der Bayer, der in Pilsen das Pilsner erfand

Wir waren dann natürlich auch in Pilsen. Wenngleich hier eine spannende Szene von Microbreweries und Craftbrauern entstanden ist, dominiert in der ganzen Stadt das Prazdroji, wie die Tschechen ihr liebstes Bier nennen. Der Biertyp, der bei uns Pilsner Urquell heisst, wurde 1842 von einem gewissen Josef Groll erfunden. Der bayrische Braumeister war nicht lange in Pilsen tätig, sein kurzes Schaffen aber epochal. Noch bevor er wegen Derbheit, Trunkenheit und unmäßigen Frauenverbrauch wieder nach Vilshofen zurückgeschickt wurde, soll er in der böhmischen Metropole erstmals das helle, untergärige Bier nach Pilsner Brauart gebraut haben. Nach längerwährenden Qualitätsproblemen und schlechten Bieren über Jahre, wurde dieses Bier von der Bürgerschaft sofort mit Freude aufgenommen und startete seinen weltweiten Siegeszug.

Überall werden heute Biere nach Pilsner Brauart gebraut. Und genau dieses Original-Bier wird noch heute am selben Standort in Pilsen gebraut. Mit unveränderter Rezeptur, der gleichen Wasserqualität und dem Hopfen aus der Saaz. Die Brauerei, die seit wenigen Monaten zur japanischen Asahi-Gruppe gehört bezeichnet sich auch als „Keepers of Craft“. Klar ist eine Brauerei in der Größenordnung alles andere als eine Craftbrauerei, aber man beruft sich gerne auf das unverfälschte und das handwerkliche. Den hunderttausenden Besuchern, die jährlich extra wegen der Brauerei nach Pilsen kommen, wird das auch ein einem großartigen Rundgang vorgeführt, besonder beeindruckend noch die Fassbinder, die noch nach altem Handwerk die Holzfässer zusammenbauen, in denen das unfiltrierte Pilsner zu so manchem Holzfassevent ausgeliefert wird.

 

Die tschechische Craftbierszene boomt

In Prag treffen wir einen anderen Brauer, der sein Bier in Pilsen braut. Mit Pivovar Raven hat Ladislav Vrtiš in der traditionellen Braustadt eines der erfolgreichsten Start-Ups im Kreativbierbereich gestartet. Und das, obwohl er mit Familie selber in Prag wohnt. Dort ist seine Szene daheim, dort sind seine Kunden. Wir treffen Ladislav im Dno Pytle an der Vinohradska.

Fühlt sich an wie ein Studentenbeisl in den 1990ern. Das selbe Publikum auch eigentlich, nur viel mehr verschiedene Biere. Während wir aus der Auswahl von 8 Fassbieren und Flaschenware aus 3 Kühlschränken wählen, erzählt Lado schon aus dem Nähkästchen. “Hier trifft sich die Brauszene der Stadt. Microbrewer, Craftbrewer und Hobbybrauer – und natürlich auch die Bierfreaks.” Wir staunen über die günstigen Preise für locale Craftbiere, sogar stärkere oder fassgereifte Biere kosten für 0,5 lt keine 4 Euro. Er warnt uns vor den Prager Gasthausbrauereien und verweist uns auf die vielen kleinen Bars, die unzählige Spezialitäten aus regionalen Kleinbrauerein führen. “Würde man heute auf die großen Bierlandkarten von Tschechien noch rote Punkte für die Craftbrewer machen, wäre die Karte flächendeckend rot” Für traditionelle Biere, die in Tschechien immer nach ihrer Stammwürze bezeichnet sind (also 11, 12, 13 oder gar 14°) gibt es beliebte Feste. “”Events im Craftbierbereich” haben sich noch nicht durchgesetzt. Dafür gibt es in der Stadt schon zu viel Lokale, die schon ein so großes Bierangebot haben, daß man dafür nicht extra noch irgendwo Eintritt zahlen möchte”, sagt der Brauer von Raven. In wenigen Wochen wird er ein Tap Takeover in der Beer Geek Bar machen. Im wohl besten Craftbierplatz der Stadt, werden sie an einem Abend 33 (!!!) verschiedene Biere aus ihrer Range ausschenken. 3 davon Caskconditioned, denn im BeerGeek gibt es ja “nur” 30 Bierleitungen.

Das tschechische Malz für das Oktoberfest

Mittelständischen Brauereien interessieren uns aber auch. Nur etwa 35 Minuten ausserhalb von Prag dürfen wir uns die Pivovar Ferdinand ansehen. Die wurde nicht nur von unser aller Erzherzog besessen, nein sie trägt nach seiner weltkriegsauslösenden Ermordung in Sarajewo auch seinen Namen. Neben der Brauerei hat er hier nahe Benesov im Sommer auf Schloss Konopiště residiert. Auf diesem als Ausflugsziel heute toll renoviertem Schloss konnte er seiner Jagdleidenschaft nachgehen. Auf seinen Reisen erlegte er Tiger und Elefanten, hier um Benesov war das Wild sein Ziel. Alleine im Jahr 1911 soll er 18.799 Stück Wild erlegt haben.

Haben wir uns am Vormittag noch das Museum der großen Industriebrauerei von Velké Popovice angesehen, so wirkt die gesamte Brauerei in Benesov wie ein Museum, das aber noch hervorragendes Malz und Bier produziert. Fast die Hälfte ihres Umsatzes generieret die heute privat geführte Brauerei mit dem Mälzen. Der größte Abnehmer dafür ist Weyermann in Bamberg. „Jedes Bier, das am Münchner Oktoberfest getrunken wird, wurde mit Malz aus Benesov gebraut“ erzählt uns der Betriebsführer  bei einer Führung durch den Betrieb.

Hier wird auf altem, historischen Steinboden die Gerste getrocknet. Die Qualität dieser Darre ist einzigartig. Auch die offenen Gärbottiche im Brauhaus zeigen hier noch die ursprüngliche Handwerksarbeit einer Traditionsbrauerei. Ihre Biere werden vor allem regional und in Prag ausgeschenkt. Für die großen Industriebrauer findet er keine guten Worte: „Dazu brauche ich aber nicht viel sagen, Sie brauchen nur unser Bier kosten und werden wissen, was ich meine.“

Die Sache mit dem Ziegenbock

In Velke Popovice hatten wir auch die Gelegenheit, den bekannten Ziegenbock Olda zu besuchen. Wie kein anderes Tier steht er in Tschechien als Maskottchen für das bekannte Kozel-Bier, das als Einzelmarke der wohl stärkste Exportartikel aller tschechischen Brauer ist.

Gegründet 1871 vom Österreicher Franz Ringhoffer, feiert man heuer in der Brauerei den 200.Geburtstag des industriellen, dessen Familie aus dem burgenländischen Müllendorf stammte. Heute kann man die Brauerei besichtigen und in einem sehr interessanten Rundgang vom Besucherzentrum aus, alle Teile der Produktion sowie das Museum zur Geschichte des Unternehmens kennenlernen. Und auf keinen Fall sollte man bei der Gelegenheit vergessen, eines der Biere aus Groß Popowitz zu verkosten.

 

Mind the Gasthaubrauereien

Das unsere tschechischen Nachbarn nicht nur in der Quantität ihres Bierkonsums europäische Spitze sind, sondern die gesamte Bierkultur auch in ihrer Qualität auf einem Top Level mitspielt, haben wir auf dieser Reise erfahren können. Doch bevor wir uns in unser zentrales Falkensteiner Hotel nebst der Parkanlage am Bahnhof zurückziehen, wollen wir noch ein letztes Bier in einer Gasthausbrauerei probieren. Im U Dobřenských in der nahen Altstadt gönnen wir uns noch ein Tribulus. Wie überall sind die Preise mit 46 CZK (etwa 2 Euro) für ein obergäriges Kräuterbier sehr wohlfeil. So richtig wollten uns die Biere dort aber nicht munden. Vielleicht lag es auch an der Bon Jovi Live CD im Hintergrund. Oder wir hätten einfach auf Ladislav Vrtiš hören sollen.

Unsere Reise fand mit Unterstützung von CzechTourism, der ÖBB und dem Hotel Falkensteiner Hotel Maria, Prag statt.